Sonntag, 23. Dezember 2012

Chorweiler

Gestern wurde ich auf den wunderbaren Artikel des allzu netten Herr Frangenbergs aufmerksam gemacht und ich habe mich bepisst vor Lachen, aber was ein Glück für die Beteiligten, dass ich stubenrein bin.
Jedenfalls werden in diesem Artikel einige Schüler für ihre satirische Darstellung Chorweilers in der Abi-Zeitung verbal von dem Kölner Stadtanzeiger attackiert.
Wer sich selbst ein wenig an dem Artikel von dem gebildeten Herr Frangenberg belustigen will, der folge bitte folgendem Link:
http://www.ksta.de/chorweiler/abi-zeitung-waldorfschueler-verspotten-chorweiler,15187566,21161774.html?fb_action_ids=4046118803450&fb_action_types=og.recommends&fb_source=aggregation&fb_aggregation_id=246965925417366

Da dieser Konflikt für viel Aufregung sorgt und ich auf Aufregung stehe wie Neugeborene auf ihre Milch, fühle ich mich dazu aufgeheitert, mich ebenfalls verbal dazu einzumischen.

Zuerst einmal muss das Bild Chorweilers erläutert werden:
Eine junge Schwangere mit Zigarette; Nicht selten im Bezirk aber sozialpädagogisch verständlich. Die Erziehung der Jugendlichen verfolgt es nicht, über Verhütung oder überhaupt Sex zu reden. Das einzige, was wir heutzutage über Sex wissen, lernen wir aus Pornos oder unseren Freunden, die auch nicht gerade erfahrender sind als wir. Und natürlich setzt mit der Pubertät auch der Sexualtrieb ein und da es in Chorweiler nur von Alpha-Tierchen wimmelt, bleibt den Weibchen gar nichts anderes mehr übrig, als sich mit ihnen paaren zu wollen. Doch Kondome sind zu teuer, denn das ganze Geld geht weg für Zigaretten und Fast Food, der von den Jugendlichen anziehender wirkt als die Gemüseläden, die der Kölner City Center anbietet. Und diese Jugendlichen rauchen schon so einiges, um die Anziehung des anderen Geschlechts zu unterdrücken, aber irgendwann sollte man doch der Versuchung nachgehen, nicht wahr? Übrig bleiben neun Monate, bis das Engelsgesicht endlich den von Bus- und Automotoren vergasten Bezirk erblicken darf.
Und so kommen auch diese Großfamilien von 10 Cousins und 19 Cousinen zu Stande.
Der Staat zahlt den Bewohnern von Chorweiler nur genug zum Überleben, wenn Kindergeld dazu kommt. Ansonsten sind sie Untergebene der Konsumwelt, der sie sich unterordnen müssen, damit ihr Unterbewusstsein die Knechtschaft der wirtschaftlichen Hierarchie rechtfertigt. Denn heutzutage ist es doch so, dass die Armen nicht viel besitzen. Weder Geld noch Selbstbewusstsein. Und um dieses Gefühl der Leere zu füttern, nutzen sie City Center und den Markt, der Donnerstag und Samstag seinen Verkauf von Ware hat. Dies ist nicht zu verurteilen, sondern gilt bloß zu verstehen.

Gewaltbereite Jugendliche, posende Mädchen in Jogginghosen;
Ich wurde schon einige Male von Jugendlichen aus Chorweiler beschimpft, angemacht (manchmal aus sexueller Begierde (grr) oder aufgrund meines Kleidungsstils, der wirklich den Anschein macht, als hätte ich Geld) oder anderweitig diskriminiert. Meine Antwort darauf: Keine.
Denn auf diesen primitiven Mist lasse ich mich nicht ein und das ist auch die einzige Möglichkeit, dem größeren Ärger zu entgehen. Denn das einzige, wonach diese Jugendlichen fahnden, ist Respekt, doch das Bild, das ihr Umfeld ihnen über Außenstehende bietet, ist respektlos oder verspottend, so wie Sie den Artikel dargestellt haben z.B., Herr Frangenberg. Das einzige, was diese Jugendlichen wollen, ist Respekt und Geld. Respekt verwechseln sie jedoch mit Angst, den sie den anderen einflößen wollen und das Geld bekommen sie dann von den Beängstigten. Grund für diese soziale Umkonditionierung ist u.A. der tagtägliche Überlebenskampf, den einige Jugendliche ausgesetzt sind. Sie machen Geld mit Drogen, kleinem Diebstahl, großem Diebstahl, Prostitution usw. Wenn sie dann mehr als genug Geld haben, setzt ihr von den Massenmedien gekränktes Ego ein und sie wollen immer mehr besitzen, als sie eigentlich brauchen.
Ich rechtfertige hiermit nicht die Gewaltbereitschaft, sondern versuche sie bloß zu verstehen, und Verständnis ist zum Beispiel eine weitere Tugend, die diese Jugendlichen verlangen und von einem wichtigen Organ, dem Staat nicht bekommen.
Der Trend, u.A. aufgrund von der Vorliebe zu Hip-Hop und Gemütlichkeit oder aber auch dem Zwang, weil normale Hosen mit dem Budget oder dem Mainstream nicht übereinstimmen, den posende Mädchen mit Jogginghosen ausstrahlen, muss mit Stolz gefestigt werden. Denn Schwäche in Chorweiler zu zeigen ist so gut wie ein Todesurteil.
Dies sind nur Theorien, jedoch lügt die Praxis leider nicht. Um diese Vorurteile zu verstehen, muss man empiristisch sozialpädagogische Kenntnisse haben.

Die Vorurteile, die die Abi-Zeitung der Waldorfschule spöttisch darstellen, werden mehr als nur selten in Chorweiler bestätigt. Als ich in Kontakt mit Schülern der Waldorfschule kam, dachte ich mir nur eins:
Die können eh nur ihren Namen tanzen. Und selbst das konnten sie alle nicht wirklich gut. Schade drum. Als Facebook dementierter Konsumsüchtiger jedoch kommen Vorurteile vor. Aber hinter diesem Vorurteil entdeckte ich irgendwann etwas viel Bedeutenderes als nur Intelligenz hinter diesen Schülern, was wahrscheinlich in dieser Schule voller Namenstänzer gefördert wird: Das soziale Engagement.
Die Schüler arbeiten an Jahresarbeiten, wo sie z.B. in Kontakt mit Obdachlosen kommen, um ihre Lebensweise zu entdecken und zu verstehen. Einige dieser Schüler der Schule zeigten sogar soviel Verständnis, dass sie kurz vor den Weihnachtstagen sich planen zu treffen, um Weihnachtsgebäck an die Obdachlosen zu verteilen. Was für eine nette Idee. Schade, dass ich ein Zu Hause habe. Doch das ist nur einer von vielen sozialen Tätigkeiten, die ihre Wurzeln bei den pädagogischen Kenntnissen der Lehrer tragen. In den 15 Jahren, die diese Schule existiert, haben sie Werkstätte errichtet, um Angebote für Jugendliche und Kinder aus ihrem Bezirk anzubieten. Die Stadtwerkstatt „Canyon Chorweiler“ wurde errichtet, in deren Zentrum eine Kletterhalle steht, die ebenfalls Angebote für das Viertel macht, wo Kinder und Jugendliche sich vergnüglich auf eine imaginäre Bergsteigerreise machen können. Und welcher Jugendliche träumt nicht davon, sich beim Klettern den Hals oder ein Bein zu brechen? So berichtet es jedenfalls der Volksmund, der ihnen mit den Worten „Hals- und Beinbruch“ viel Vergnügen wünscht.
Die Schule wirkt sich auch kulturell auf den Bezirk aus, denn sie laden ihre benachbarten Schulen für Theateraufführungen ein.
Und diese Schule war eine von wenigen Beteiligten, die sich für die Renovierung des S-Bahnhofes Chorweiler-Nord eingesetzt haben, um den sich der Staat von sich aus eigentlich hätte kümmern müssen.
Aber genug von der Schmeichelei über die Waldorfschule. Ich bin ja immerhin nicht dafür da, um Werbung für diese entzückende Schule zu machen, unabhängig davon, wie sie mich mit ihrer Innenarchitektur und ihrem Gehalt an hübschen Mädchen begeistert. Meine Schule ist auch gar nicht mal so scheiße.

Nun folgt der eigentliche Spaß. Herr Frangenberg, sie haben sich mit dem falschen Publikum angelegt, denn so jemand wie ich versteht was von der Propaganda, die sie bezwecken wollen.
Ihr erster Abschnitt ist eine oberflächliche Inhaltsangabe über die Abi-Zeitung, die ziemlich parteiisch und verspottend ist. Sie stellen also Jugendliche, die Chorweiler verspotten, verspottend dar. Ziemlich widersprüchlich, nicht wahr?
Erstes Merkmal der Propaganda.
Der zweite Abschnitt ist nicht gerade besser. Ihren verspottenden Ton nehmen sie nicht ab, denn es folgen Worte wie „(…), über den sich die Schüler lustig machen“ (Z. 6) oder „(…)- nur aus Chorweiler selbst ist nach Angaben der Schule so gut wie nie jemand dabei.“
Letzteres brachte mich mehr als nur zum Schmunzeln. Aus Chorweiler selbst also. Denken sie mal einen Moment an die Postleitzahl, die Chorweiler mit anderen Bezirken verbindet und wie viele davon sozial nur ein wenig mehr zu bieten haben w.z.B. Seeberg oder Chorweiler-Nord und überprüfen sie dann noch mal die Zahlen der Schüler, die diese Schule besuchen. Und Worte wie „so gut wie nie jemand dabei“? Unpräziser geht’s wohl nicht. Fakten sind nicht ihre Stärke, ist mir aufgefallen.
Im dritten und vierten Abschnitt beziehen sie sich auf Worte von Politikern. Dies würde ich nun gerne auch tun.

1. „Hier werden alle nur denkbaren Vorurteile über sozial benachteiligte Jugendliche im Umfeld der Schule geschürt. Es ist mir unverständlich, dass die beteiligten Lehrer augenscheinlich nicht im Vorfeld der Mottotage über die diskriminierenden Aspekte und das mögliche Konfliktpotenzial des Mottotags gesprochen haben.“ –Bezirksbürgermeisterin Cornelie Wittsack-Junge
Übersetzt in meine Denkweise bedeutet das: "Hier werden alle nur denkbaren Vorurteile über sozial benachteiligte Jugendliche im Umfeld der Schule geschürt und das ist auch gut so. Die Schüler sind zu mir gekommen und haben sich zu rechtfertigen versucht mit ihrem sozialen Engagement, aber da sie mit ihrem Artikel eine Propaganda anzetteln wollen, kommen lobende Worte nicht so gut. Darum muss ich Sätze äußern wie „Es ist mir unverständlich, dass die beteiligten Lehrer augenscheinlich nicht im Vorfeld der Mottotage über die diskriminierenden Aspekte und das mögliche Konfliktpotenzial des Mottotags gesprochen haben“, dabei beweist das eigentlich nur, dass ich in der Schule nicht aufgepasst habe und die Bedeutung von Satiren nicht verstanden habe und dass dieses Konfliktpotenzial sich auf den Staat richten könnte und ich deshalb den Artikel unterstützen muss, damit sich dieser Hass gegen die Schule richtet. Hihi.“ (Verdammt gerissen, diese Politiker)
2. „Da braucht man keinen weiteren Hohn und Spott durch Gleichaltrige. (…) Irgendwas mit „Unreifezeugnis“ und „verdient“ und „Schüler der Waldorfschule“ – (frei nach Herr Frangenberg)
Schon allein die Tatsache, dass sie die Bürgermeisterin nicht 1:1 zitieren, legt das zweite Merkmal einer Propaganda vor. Wissen sie, Künstler erzählen Lügen, um auf die Wahrheit hinzuweisen. Politiker lügen, um die Wahrheit zu vertuschen. Nehmen wir mal an, diese Namenstänzer hätten das Potenzial, Künstler zu sein. Dann würden sie mit ihrer übertriebenen Darstellung von Chorweiler den Menschen die Wahrheit zeigen. Sie hingegen, mit ihren politischen Freunden, die sie nur als Instrumente ihrer Propaganda nutzen, versuchen genau diese Wahrheit, mit der sich der Bezirk auseinandersetzen sollte, zu vertuschen. Meine Stimme haben sie.
Nun zu den Worten der Bürgermeisterin, bei denen sie sich getraut haben, sie zu veröffentlichen.
Natürlich braucht man Hohn und Spott. Vielleicht nicht durch Gleichaltrige, jedoch von wem sonst? Die Erwachsenen unterliegen zu sehr dem Kapitalismus, als sich auflehnen zu wollen und Kinder sind mit besseren Dingen beschäftigt. Also warum nicht wir? Die abgefuckte und kaputte Jugend?
Hohn und Spott verdeutlicht mehr als die Realität die sozialen Missstände, die in Chorweiler zu bemerken sind. Und natürlich sind die Jugendlichen in Chorweiler mit den Arbeitsplätzen benachteiligt, aber dieser Spott weist nur daraufhin, dass es nicht so weitergehen kann. Und anstatt sich um Veränderung, also Verbesserung zu kümmern, kümmert die Politik sich um Propaganda zur Stillung der Aufruhr, die dieser Spott bezwecken kann.
Und das „Unreifezeugnis“ geht ja wohl an die gesamte Politik, denn sie sind nicht dazu fähig, uns aus sozialen Missständen zu befreien.
„Parteien sind zum Schlafen da – und zum schrecklichen Erwachen.“ Stand mal in der „Zeitung 883“ im Jahre 1971. Sie sollten mal mehr Zeitung lesen, Herr Frangenberg oder haben sie Angst, noch etwas zu lernen? Während unser Parteiensystem die Bevölkerung in den Halbschlaf wiegt, werde ich der Weckmann sein, den man nach einem erfolgreichen Feldzug zu vernaschen versucht.
3. „Ein ganzes Viertel wird in einen Topf geworfen (…) Bla bla, irgendwas mit faschistischer Innenpolitik und dass sie es nicht so schlimm fände, wenn Jugendliche auf Probleme hinweisen würden bla bla bla (wieder frei nach Frangenberg) (…) Schlimm ist aber, wenn man sich über andere lustig macht. (…) Kontakt ins Viertel ist Mühsam“ –Gisela Manderla.
Zuerst müssen sie verstehen, dass die Schüler sich auch über sich selbst lustig machen, immerhin gibt es unter ihnen auch Raucher, Schwangere, Jogginghosentragende und gewaltbereite Jugendliche, auch wenn dies nur nonverbal ist. Also sind es nicht nur andere, über die sie sich lustig machen, sondern auch sich selbst. Und würde man stets bloß auf die Probleme hinweisen, so wie sie es tun, würde nur eine Sitzung nach der anderen folgen, um zu besprechen, was man ändern könnte, aber etwas in die Tat umzusetzen, ist nicht so die Stärke der Politiker. Natürlich ist der Kontakt ins Viertel mühsam, aber mit ihrer Propaganda, Herr Frangenberg, wird’s nur noch mühsamer. Ganz schön engstirnig, Herr Frangenberg. Sie haben wohl nicht die besten Gene.

Weiter geht’s mit dem fünften Abschnitt. Sehr gut. Aufregung lese ich immer gerne. Da salutiert mein Schwanz immer wieder gerne zu. Aufregung ist nicht umsonst erregend, denn es ist der Beweis, dass man Salz in die Wunde der Politiker und des Bezirks Chorweiler gerieben hat. Und wofür sind Wunden da? Um sie zu schließen. Da reicht kein Pflaster, um sie zu überdecken, sondern dafür benötigt es Behandlung. Die Autoren der Abi-Zeitung mussten sich definitiv entschuldigen, weil Leute wie sie den Hebel in der Hand halten und über die Existenz dieser Schüler entscheiden und würden sie sich nicht entschuldigt haben, wäre die Existenz dieser Schüler gefährdet. Sehr menschlich von ihnen. Jemanden dazu zu zwingen, sich für das Augen öffnen vieler Menschen, zu entschuldigen.
Hier kommt wieder fast ein Zitat, wenn Herr Frangenberg sich nicht wieder mit der Wortverdrehung bekannt gemacht hätte. Der Schulleiter ist selbstverständlich dagegen, denn ihm droht der Verlust seines Arbeitsplatzes, wenn er das asoziale Verhalten dieser Autoren dulden würde. Ihm bleibt nichts anderes übrig.
„Wir sind vor 15 Jahren mit der Schule nach Chorweiler gegangen mit der festen Absicht, uns dem Viertel gegenüber zu öffnen und mit ihm zusammenzuleben.“
Das machen sie auch gut so. Die ersten Schritte sind ihnen schwer gefallen, aber sie kommen voran. Bleiben sie dran. Liebe Leser, ich möchte euch noch mal daran erinnern, was diese Schule schon alles für das soziale Engagement in ihrem Bezirk gesorgt hat.
Der sechste Abschnitt war so belustigend wie auch erschreckend, dass mir beinahe übel wurde.
„Würden Chorweiler Kinder auf die Waldorfschule gehen, wäre der Brückenschlag gelungen.“ Genial. Er lässt es so erscheinen, als ob er für die Vermischung der Chorweiler Jugendlichen mit denen der Besucher der Waldorfschüler wäre, obwohl er im ganzen Artikel zuvor eher dafür sorgt, dass den Schülern mehr als nur ihre Smartphones in Chorweiler abhanden kommt. Dann kommen sie mit ein paar Zahlen und es mag den Anschein geben, die Schule wäre so preiswert, dass auch benachteiligte Jugendliche aus Chorweiler diese Schule besuchen könnten. Aber sie wollen einfach nicht. Die sozialen Gruppen unterscheiden sich momentan zu sehr. Anstatt für Propaganda zu sorgen sollten sie sich eher um die Verschmelzung als um die Entfremdung dieser sozialen Gruppen kümmern. Die Schule macht gute Schritte dahin. Halten sie sie also nicht mit ihren Müll von Wortmischmasch und Leserschaft davon ab.

„Ich weiß nicht, warum wir an die Leute rankommen, (Wegen Leuten wie Frangenberg) (…), einen wirklichen Kontakt herzustellen ist mühsam.“ –Herr Schulze.
Ich glaube daran, dass diese Schule die psychologische Hemmschwelle überwinden wird und die Chorweiler Jugendlichen mit dem Waldorfprofil sich übereinstimmen können. Dafür muss die Erziehungspolitik intensiviert werden, damit die Jugendlichen den mentalen Tritt in den Arsch bekommen, um sich dazu motiviert zu fühlen, aus ihrem Leben etwas anzufangen. Außerdem ist der Gehalt an Marihuanakonsumenten in Chorweiler recht groß und an der Waldorfschule ebenfalls nicht gering. Also falls ihr das hier alles gelesen habt, druckt es aus (Papier hat einen hohen Brennwert) und verzieht euch nach Chorweiler, denn Gras verbindet und irgendwer baut immer.

War gar nicht mal so schwer, eine Propaganda zu schreiben. Ich sollte auch Zeitungsredakteur werden. Jedoch verfolge ich keine Absicht mit diesem Text, außer mit triefendem Sarkasmus über die Menschlichkeit meine Leser ins Gesicht zu spucken.
Passen sie auf sich auf, und vor allem auf ihre Kinder, Herr Frangenberg, wenn sie Chorweiler durchkreuzen sollten, denn sie könnten verloren gehen, wie das Verschwinden von dem kleinen Mädchen es beweist. Aber sie setzen sich ja nicht so gerne mit der Realität auseinander, ich vergaß.



Mittwoch, 12. Dezember 2012

Der fremde Bekannte

Der Richter schaute auf mich herab, sah in mir den Verbrecher, der er niemals sein würde und sagte schon fast gelangweilt von meiner Gleichgültigkeit, die ich im Gerichtssaal ausstrahlte:
„Wollen sie noch etwas sagen, bevor man sie töten lässt?“
Ich schaute auf ihn ein mit meinem durchbrechenden Blick, der mit einem zarten Lächeln verziert war und antwortete kalt, sodass die Angehörigen erstarrten:

„Wie könnt ihr meine Fäden festhalten, während ihr mit Steinen werfen beschäftigt seid?“

Der Richter verstand nicht, doch interessieren tat es ihn auch nicht. Doch der Priester, der mir zur Verfügung gestellt wurde, warf mir einen verwirrten Blick zu.
Da niemand mehr etwas Relevantes zu sagen hatte, außer dass man mich abführen sollte, fühlte ich mich dazu verpflichtet, mich noch ein wenig mit dem Menschen zu unterhalten, der mit einem Podest über mir saß und sich dazu gezwungen sah, über mich zu richten.
Um auf seine göttliche Ebene aufzusteigen, stand ich auf, um als seinen Gegner, den Teufel, aufzutreten.
Die verwirrten Blicke der Geschworenen gaben mir den Testosteronkick, den ich brauchte, um mich auf meinen Beinen halten zu können. Dieser Gott mit verrutschtem Toupet konnte es einfach nicht fassen, doch um seine Fassung zu bewahren, schickte er die Wachen, seine Hyänen zu mir, um mich zu zerfleischen.
„Na, womit verdiene ich das Vergnügen? Seid ihr geschickte Boten, um den geschockten Boten wieder in gelassener Gewohnheit leben zu lassen? Ihr könnt mir gar nichts. Ich bin so gut wie tot. Das bedeutet, ich bin ein zwar toter, aber dafür freier Mensch und macht das das Leben nicht erst lebenswert, auch wenn ich diese Freiheit erst mit meinem Tod erlange?
Ich möchte euch noch kurz etwas erzählen, bevor ich endlich in Frieden zur Hölle fahren darf.
Ich spreche auch mit Absicht in dieses Mikrofon, damit auch die wollenden Tauben mich hören dürfen. Ich erzähle euch von den Dingen, die einen Scheiß wert sind, aber mich schlaflos halten.
Keine Sorge, es ist wie Studentenfutter, denn mein Gehirn ähnelt einem Magersüchtigen.
Die meisten Leute aus meiner Gegend kennen mich nicht und ich liebe es. Die anderen Leute kennen und hassen mich und ich weiß es. Aber es interessiert mich nicht. Diese Köpfe werden mir eh erst eine physische Existenz zutragen, wenn ich mich dem Mainstream anpasse und dem Strom hinterher schwimme. Im Moment jedoch bin ich ein toter Fisch auf dem Bordstein.
Niemand schenkt dir sein Interesse, solange du sie nicht mit Worten wie „Scheiße“ lockst.
Und wenn du Worte wie „Schwanz“ benutzt, scheinst du das falsche Publikum zu bekommen.
Ich finde es sehr interessant, denn letzten Endes handelt es sich bloß um Worte, Laute, die vom Menschen projiziert werden und von Menschen einen subjektiven Sinn verliehen bekommen. Man gibt bestimmten Worten mehr Gewicht als das, was man selbst auf die Waage bringt. Mein Gott, es ist so absurd. Genau dieser Hang zum Absurden führt mich in diesen Saal, zur der Exekutive, die über meine Schuld entscheiden sollen, nur weil ich Menschen mit meinen Worten in Nähe meines Schwanzes oder in den Wahnsinn, so mögt ihr es nennen, geleitet habe. Manche werden sich fragen, wo ist da der Unterschied?
Dieser klitzekleine Unterschied, so groß der Wahnsinn auch sein mag, ist irrelevant. Jedenfalls will ich nur eines loswerden:

Manche Menschen hörten meine Worte und dachten, es bedeute, sie würden mich kennen. Die Wahrheit ist, ich existiere nicht; Ich bin bloß der Puppenspieler in deinem Theater.
Ja genau, ich lasse die Puppen tanzen und ich bin mir sicher, es hat ihnen gefallen.
Aber dieses mentale Verbrechen, das ich tagtäglich ausübte, führt mich nicht hier hin.
Es ist mein Drang nach Bestätigung für mein sinnloses Dasein. Ich war hungrig und benahm mich wie ein Fuchs gegenüber dem Lamm, um von ihm zu hören, dass ich es wert bin zu leben, obwohl ich es doch nicht war.
Darum gehen diese letzten Worte an jeden, den ich enttäuscht habe und mit diesem Gefühl des Vermissens verlassen habe.
Meine Liebschaften, besten Freunde, Eltern und Geschwister.
Manchmal schwört uns das Leben, Lügner aus guten Menschen zu machen.
Ich entschuldige mich dafür, dass ich nicht dieser Jemand war, den ihr von mir erwartet habt.
Drauf geschissen, ich entschuldige mich dafür, dass ich nicht dieser Jemand war, den ich von mir erwartet habe.
Ich habe immer gesagt, Ich wäre immer für euch da, egal was passieren würde, aber das war nicht ehrlich, denn ich war es nicht. Aber so ist das Leben. Voller gebrochener Versprechen.

Ich wuchs also auf und dachte, ich wäre einer dieser guten Jungs mit guten Moralvorstellungen wie mit dieser Schwarz-Weiß-Sache in Amerika in den Siebzigern.
Aber ich wurde mit dem Verletzen anderer Menschen verflucht und strippte mit ihrem Stolz.
Aber nicht nur oberflächlich, sondern auch mit ihrem Herzen.
Ich wurde nicht bekannt gemacht mit meiner dunklen, unmoralischen Seite. Ich dachte, ich wäre ganz normal.
Doch Mensch sein bedeutet ein Drahtseilakt über der Rolle als Gott und Teufel, jenseits von Gut und Böse, denn das macht einen erst zu einer Originalkopie und befeit einen von den Schatten seiner Schatten.
Ich wurde also konfrontiert mit meinen Gefühlen und ich meine es, wie ich es euch sage, es war etwas total Neues für mich, was in dieser Welt nicht ausblieb.
Und in dieser Zeit meinte ich jedes Wort, so wie ich es sagte. Jedes „Ich liebe dich“ und jedes „Ich hasse dich“. Jedes Mal, als ich liebte oder ich wusste, dass ich es bereuen würde.
Doch wenn Zeit ihren Sinn verliert, so verschwinden auch die Gefühle und so wird man zum Lügner, weil man nicht mehr liebt und seine Versprechen nicht mehr halten kann.

Aber wie kann eine Lüge eine Lüge sein, wenn man es in dem Moment wirklich so gemeint hat? Ich meine, eine Lüge kann keine Lüge sein, wenn man es in dem Moment wirklich so gemeint hat.

Also besorgte ich mir ein Herzensbrecher Hotel mit all meinen unterwürfigen Angestellten. Keine Investoren, sondern bloß das „Lieb mich und dann verpiss dich“-Bed and Breakfast.
Ich schwelgte in lieblicher Erinnerung, überhaupt etwas geliebt zu haben. Doch das Problem ist nicht das Lagerproblem dieser Mätressen, denn sie verschwinden ja wieder, sondern das Lagerproblem meiner Last im Herz meiner einzig Geliebten, die wohl niemals ausziehen wird. Wenn sie und ich uns gestritten haben, war es wie ein Gewitter. Mit Donner und Blitzen.
Mit einem eisernen Willen; ein wahrer Kampf der Titanen. Die Emotionen überhitzten und jeder Muskel zitterte. Man war abhängig von der Spannung des Kampfes. Diese Aufregung, die uns beide ernährte und erregte.
Liebe schien anfangs ohne jegliche Verpflichtungen abzulaufen, doch man ist dazu verpflichtet, sich selbst zu lieben, sonst verliebt man sich bloß in die Idee, etwas zu lieben.
Und wir Beide jagten und hungerten nach diesem Gefühl, das uns so lebendig machte.
Doch irgendwann hat ihr Unterbewusstsein zu dir gesprochen und ihr befohlen, mich gehen zu lassen. Und als ich das erfuhr, schienen all diese Dinge, die in dieser Welt passieren, so prosaisch, trocken und fantasielos. Man ist verloren und steht nackt vor der Gesellschaft, doch es interessiert einen nicht. Um nach diesem lebendigen Gefühl zu jagen, prostituiert man sich, bis man wieder findet, doch man bleibt ziellos.

Ich habe wirklich alles verloren. Dieses liebliche und erschreckende Gefühl, das mich daran erinnert hat, dass ich lebe. Und man spürt, dass die Hölle einen Boden bekommt und der Himmel an Glauben verliert.

Ich habe zwar mit vielen Frauen geschlafen, jedoch machte es die Sache bloß zu einer schlechten Befreiung von dem guten Müll, den ich einst verehrt habe.
So sieht es aus. Ich bin ein Mann des schlechten Glaubens. Ein Mann, der schlecht an sich selbst glaubt. Ein Mann, der von der Bestätigung und Körperflüssigkeit vieler Frauen abhängig ist, um sich von der bittersüßen Abhängigkeit des klarsten Heroins befreien zu können.
Doch nun frage ich euch, Herr Richter, der viel zu sehr versucht, Gott zu spielen, mache ich mich zum Verbrecher, nur weil der Teufel nicht monogam lebt?“

Ich wurde abgeführt und mit jedem hasserfüllten Stein, den ihre Blicke mir zuwarfen, ließen sie auch das Seil los, das mich mein Leben lang festhielt. Ich hatte gewonnen, denn ich war unabhängig. Schon traurig, dass ich erst mit meinem Tod die Unabhängigkeit erreicht hatte.
Aber im Wort „traurig“ sah ich nicht umsonst die Worte „trau dich“.
Mit dem Überwinden meiner Angst und der sinnlosen Konfrontation mit meinem geplanten Tod hatte ich mehr erreicht, als sie je in ihrem Leben erreichen würden.

Sie trugen mich also hoch, steckten meinen Kopf zwischen die Holzbank und ich spürte die Guillotine über mir. Ich sah zu dem Marionettenspiel hinab, grinste sie an blickte dann zur Sonne.
Meine letzten Worte:
„Mama, auch dich habe ich belogen. Ich werde sterben. Wie jeder andere auch.“
Und die Guillotine ergriff mich, befreite mich von jeglicher Schuld und meinem belasteten Körper und beförderte mich ins ewige Nichts, wo ich sie alle wiederfinden jedoch niemals antreffen würde.

Mittwoch, 5. Dezember 2012

Hot Dog

Man beachte die Hundezuhälter unserer Zeit, denn sie geben einiges über sich Preis und den Preis, für den die Besitzer aufkommen, muss der Hund bezahlen.
Man kann zwei Dinge feststellen:

1.Wird der Hund gestreichelt oder geschlagen, fest an der Leine unter Kontrolle gehalten oder lässt man ihn frei runlaufen; ist er stubenrein oder bepisst er Passanten oder Hydranten?
All diese Dinge scheinen irrelevant für uns außenstehenden und bepissten Passanten rüberkommen, jedoch verrät der Besitzer damit nur, wie er behandelt wurde und behandelt werden will.
Die Schosshünde müssen meist unter dieser Konsequenz unschuldig leiden und für die mentale Vergewaltigung der Besitzer in der Vergangenheit gerade stehen.

2. Es ist Tierquälerei.

Montag, 3. Dezember 2012

It was a pleasure to burn

Ich schrieb also meinen letzten Brief an meine verflossene Geliebte, der Krankheit, die mich seit einiger Zeit verfolgte. Die Onenitis.
Ich umhüllte diese letzten ehrlichen Worte mit einem Briefumschlag, ließ es in Feuer aufgehen und hoffte, irgendwer könnte Rauch lesen.
Wer braucht schon Intimität und Gefühle, wenn es billigen Sex und Internetpornos gibt?
Intimität ist ein Zeichen von Schwäche und Gefühle sind Symptome eines Untermenschen.
Wer braucht schon Bildung? Intellektualität ist ein Zeichen von Missverhalten gegenüber der Stabilität der Gesellschaft und sozialer Idiotie.
Darum weg mit den Büchern und begebt euch einen Schritt näher an die Monitore, um euch mit kleinen, weißen Lügen füttern zu lassen. Denn euer großer Bruder, der euch über alles liebt, weiß, dass ihr hungrig seid und beobachtet werden müsst, um keine Dummheiten zu begehen.
Man beachte also meine mit Rotwein gefüllte Leber, mein mit Schlaftabletten voll gepumpten Magen und meine Hoffnung, als gefallener Engel von der schönen, neuen Welt willkommen geheißen zu werden.

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