Der Richter schaute auf mich herab, sah
in mir den Verbrecher, der er niemals sein würde und sagte schon
fast gelangweilt von meiner Gleichgültigkeit, die ich im
Gerichtssaal ausstrahlte:
„Wollen sie noch etwas sagen, bevor man sie töten lässt?“
„Wollen sie noch etwas sagen, bevor man sie töten lässt?“
Ich schaute auf ihn ein mit meinem
durchbrechenden Blick, der mit einem zarten Lächeln verziert war und
antwortete kalt, sodass die Angehörigen erstarrten:
„Wie könnt ihr meine Fäden
festhalten, während ihr mit Steinen werfen beschäftigt seid?“
Der Richter verstand nicht, doch
interessieren tat es ihn auch nicht. Doch der Priester, der mir zur
Verfügung gestellt wurde, warf mir einen verwirrten Blick zu.
Da niemand mehr etwas Relevantes zu
sagen hatte, außer dass man mich abführen sollte, fühlte ich mich
dazu verpflichtet, mich noch ein wenig mit dem Menschen zu
unterhalten, der mit einem Podest über mir saß und sich dazu
gezwungen sah, über mich zu richten.
Um auf seine göttliche Ebene
aufzusteigen, stand ich auf, um als seinen Gegner, den Teufel,
aufzutreten.
Die verwirrten Blicke der Geschworenen
gaben mir den Testosteronkick, den ich brauchte, um mich auf meinen
Beinen halten zu können. Dieser Gott mit verrutschtem Toupet konnte
es einfach nicht fassen, doch um seine Fassung zu bewahren, schickte
er die Wachen, seine Hyänen zu mir, um mich zu zerfleischen.
„Na, womit verdiene ich das Vergnügen? Seid ihr geschickte Boten, um den geschockten Boten wieder in gelassener Gewohnheit leben zu lassen? Ihr könnt mir gar nichts. Ich bin so gut wie tot. Das bedeutet, ich bin ein zwar toter, aber dafür freier Mensch und macht das das Leben nicht erst lebenswert, auch wenn ich diese Freiheit erst mit meinem Tod erlange?
„Na, womit verdiene ich das Vergnügen? Seid ihr geschickte Boten, um den geschockten Boten wieder in gelassener Gewohnheit leben zu lassen? Ihr könnt mir gar nichts. Ich bin so gut wie tot. Das bedeutet, ich bin ein zwar toter, aber dafür freier Mensch und macht das das Leben nicht erst lebenswert, auch wenn ich diese Freiheit erst mit meinem Tod erlange?
Ich möchte euch noch kurz etwas
erzählen, bevor ich endlich in Frieden zur Hölle fahren darf.
Ich spreche auch mit Absicht in dieses
Mikrofon, damit auch die wollenden Tauben mich hören dürfen. Ich
erzähle euch von den Dingen, die einen Scheiß wert sind, aber mich
schlaflos halten.
Keine Sorge, es ist wie
Studentenfutter, denn mein Gehirn ähnelt einem Magersüchtigen.
Die meisten Leute aus meiner Gegend
kennen mich nicht und ich liebe es. Die anderen Leute kennen und
hassen mich und ich weiß es. Aber es interessiert mich nicht. Diese
Köpfe werden mir eh erst eine physische Existenz zutragen, wenn ich
mich dem Mainstream anpasse und dem Strom hinterher schwimme. Im
Moment jedoch bin ich ein toter Fisch auf dem Bordstein.
Niemand schenkt dir sein Interesse,
solange du sie nicht mit Worten wie „Scheiße“ lockst.
Und wenn du Worte wie „Schwanz“
benutzt, scheinst du das falsche Publikum zu bekommen.
Ich finde es sehr interessant, denn
letzten Endes handelt es sich bloß um Worte, Laute, die vom Menschen
projiziert werden und von Menschen einen subjektiven Sinn verliehen
bekommen. Man gibt bestimmten Worten mehr Gewicht als das, was man
selbst auf die Waage bringt. Mein Gott, es ist so absurd. Genau
dieser Hang zum Absurden führt mich in diesen Saal, zur der
Exekutive, die über meine Schuld entscheiden sollen, nur weil ich
Menschen mit meinen Worten in Nähe meines Schwanzes oder in den
Wahnsinn, so mögt ihr es nennen, geleitet habe. Manche werden sich
fragen, wo ist da der Unterschied?
Dieser klitzekleine Unterschied, so
groß der Wahnsinn auch sein mag, ist irrelevant. Jedenfalls will ich
nur eines loswerden:
Manche Menschen hörten meine Worte und
dachten, es bedeute, sie würden mich kennen. Die Wahrheit ist, ich
existiere nicht; Ich bin bloß der Puppenspieler in deinem Theater.
Ja genau, ich lasse die Puppen tanzen
und ich bin mir sicher, es hat ihnen gefallen.
Aber dieses mentale Verbrechen, das ich
tagtäglich ausübte, führt mich nicht hier hin.
Es ist mein Drang nach Bestätigung für
mein sinnloses Dasein. Ich war hungrig und benahm mich wie ein Fuchs
gegenüber dem Lamm, um von ihm zu hören, dass ich es wert bin zu
leben, obwohl ich es doch nicht war.
Darum gehen diese letzten Worte an
jeden, den ich enttäuscht habe und mit diesem Gefühl des Vermissens
verlassen habe.
Meine Liebschaften, besten Freunde,
Eltern und Geschwister.
Manchmal schwört uns das Leben, Lügner
aus guten Menschen zu machen.
Ich entschuldige mich dafür, dass ich
nicht dieser Jemand war, den ihr von mir erwartet habt.
Drauf geschissen, ich entschuldige mich
dafür, dass ich nicht dieser Jemand war, den ich von mir erwartet
habe.
Ich habe immer gesagt, Ich wäre immer
für euch da, egal was passieren würde, aber das war nicht ehrlich,
denn ich war es nicht. Aber so ist das Leben. Voller gebrochener
Versprechen.
Ich wuchs also auf und dachte, ich wäre
einer dieser guten Jungs mit guten Moralvorstellungen wie mit dieser
Schwarz-Weiß-Sache in Amerika in den Siebzigern.
Aber ich wurde mit dem Verletzen
anderer Menschen verflucht und strippte mit ihrem Stolz.
Aber nicht nur oberflächlich, sondern
auch mit ihrem Herzen.
Ich wurde nicht bekannt gemacht mit
meiner dunklen, unmoralischen Seite. Ich dachte, ich wäre ganz
normal.
Doch Mensch sein bedeutet ein
Drahtseilakt über der Rolle als Gott und Teufel, jenseits von Gut
und Böse, denn das macht einen erst zu einer Originalkopie und
befeit einen von den Schatten seiner Schatten.
Ich wurde also konfrontiert mit meinen
Gefühlen und ich meine es, wie ich es euch sage, es war etwas total
Neues für mich, was in dieser Welt nicht ausblieb.
Und in dieser Zeit meinte ich jedes
Wort, so wie ich es sagte. Jedes „Ich liebe dich“ und jedes „Ich
hasse dich“. Jedes Mal, als ich liebte oder ich wusste, dass ich es
bereuen würde.
Doch wenn Zeit ihren Sinn verliert, so
verschwinden auch die Gefühle und so wird man zum Lügner, weil man
nicht mehr liebt und seine Versprechen nicht mehr halten kann.
Aber wie kann eine Lüge eine Lüge
sein, wenn man es in dem Moment wirklich so gemeint hat? Ich meine,
eine Lüge kann keine Lüge sein, wenn man es in dem Moment wirklich
so gemeint hat.
Also besorgte ich mir ein
Herzensbrecher Hotel mit all meinen unterwürfigen Angestellten.
Keine Investoren, sondern bloß das „Lieb mich und dann verpiss
dich“-Bed and Breakfast.
Ich schwelgte in lieblicher Erinnerung,
überhaupt etwas geliebt zu haben. Doch das Problem ist nicht das
Lagerproblem dieser Mätressen, denn sie verschwinden ja wieder,
sondern das Lagerproblem meiner Last im Herz meiner einzig Geliebten,
die wohl niemals ausziehen wird. Wenn sie und ich uns gestritten
haben, war es wie ein Gewitter. Mit Donner und Blitzen.
Mit einem eisernen Willen; ein wahrer
Kampf der Titanen. Die Emotionen überhitzten und jeder Muskel
zitterte. Man war abhängig von der Spannung des Kampfes. Diese
Aufregung, die uns beide ernährte und erregte.
Liebe schien anfangs ohne jegliche
Verpflichtungen abzulaufen, doch man ist dazu verpflichtet, sich
selbst zu lieben, sonst verliebt man sich bloß in die Idee, etwas zu
lieben.
Und wir Beide jagten und hungerten nach
diesem Gefühl, das uns so lebendig machte.
Doch irgendwann hat ihr
Unterbewusstsein zu dir gesprochen und ihr befohlen, mich gehen zu
lassen. Und als ich das erfuhr, schienen all diese Dinge, die in
dieser Welt passieren, so prosaisch, trocken und fantasielos. Man ist
verloren und steht nackt vor der Gesellschaft, doch es interessiert
einen nicht. Um nach diesem lebendigen Gefühl zu jagen, prostituiert
man sich, bis man wieder findet, doch man bleibt ziellos.
Ich habe wirklich alles verloren.
Dieses liebliche und erschreckende Gefühl, das mich daran erinnert
hat, dass ich lebe. Und man spürt, dass die Hölle einen Boden
bekommt und der Himmel an Glauben verliert.
Ich habe zwar mit vielen Frauen
geschlafen, jedoch machte es die Sache bloß zu einer schlechten
Befreiung von dem guten Müll, den ich einst verehrt habe.
So sieht es aus. Ich bin ein Mann des
schlechten Glaubens. Ein Mann, der schlecht an sich selbst glaubt.
Ein Mann, der von der Bestätigung und Körperflüssigkeit vieler
Frauen abhängig ist, um sich von der bittersüßen Abhängigkeit des
klarsten Heroins befreien zu können.
Doch nun frage ich euch, Herr Richter,
der viel zu sehr versucht, Gott zu spielen, mache ich mich zum
Verbrecher, nur weil der Teufel nicht monogam lebt?“
Ich wurde abgeführt und mit jedem
hasserfüllten Stein, den ihre Blicke mir zuwarfen, ließen sie auch
das Seil los, das mich mein Leben lang festhielt. Ich hatte gewonnen,
denn ich war unabhängig. Schon traurig, dass ich erst mit meinem Tod
die Unabhängigkeit erreicht hatte.
Aber im Wort „traurig“ sah ich
nicht umsonst die Worte „trau dich“.
Mit dem Überwinden meiner Angst und
der sinnlosen Konfrontation mit meinem geplanten Tod hatte ich mehr
erreicht, als sie je in ihrem Leben erreichen würden.
Sie trugen mich also hoch, steckten
meinen Kopf zwischen die Holzbank und ich spürte die Guillotine über
mir. Ich sah zu dem Marionettenspiel hinab, grinste sie an blickte
dann zur Sonne.
Meine letzten Worte:
„Mama, auch dich habe ich belogen.
Ich werde sterben. Wie jeder andere auch.“
Und die Guillotine ergriff mich,
befreite mich von jeglicher Schuld und meinem belasteten Körper und
beförderte mich ins ewige Nichts, wo ich sie alle wiederfinden
jedoch niemals antreffen würde.
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